Auf dem Weg zum Transpersonalen Bewusstsein,

Stufen der Seelenentwicklung 

Text von Traudl Elsas, TG Nürnberg

 

Sehr geehrte Damen und Herren, da ich nun die Qual der Wahl habe, mit welchen wenigen Worten die alte Weisheitslehre – heute Theosophie genannt – unter dem Aspekt des Transpersonalen Bewusstseins und des Wachstums der Seele zu erklären ist, möchte ich zunächst mitteilen, was Theosophie nicht ist.

 

Sie ist nämlich keine Religion; und genau wie der amtierende Dalai Lama favorisiert sie den Verbleib der Menschen in der ihnen eigenen Tradition und der dieser Tradition zugehörigen Philosophie oder auch Religion.

Bild:  Pixabay 

 

 

ES IST KEINE RELIGION HÖHER ALS DIE WAHRHEIT

(SATYAT NASTI PARO DHARMAH)

 

So lautete das Motto des Maharajah von Benares, adoptiert von der Theosophischen Gesellschaft  (Geheimlehre Band I, S. 25) – wohl wegen ihres Anspruchs, die Mutter aller Religionen zu sein. 

 

Papus, der französische Mystiker und (geistige) Schüler Levi‘s bemerkt hierzu: „Es gibt jedoch eine Schule, die verspricht, die einen zu führen, die anderen zu befreien, jeden an das so begehrte Zentrum der Wahrheit zu lenken; es ist eine verkannte Schule, wenig besucht wie jede transzendente Stufe, deren Meister jedoch immer Beweise ihres beträchtlichen Wissens geliefert haben. Es ist die Schule der Theosophie, der Spiritualität, die sich lange in den antiken Mysterien gehalten hat, dann mehr oder weniger rein überliefert wurde durch die Kabbalisten, die Mystiker, die Tempelritter, die Rosenkreuzer und die Freimaurer, oft degeneriert wie jede Lehre, die zu früh verbreitet wird, immer auch noch verborgen am Grunde jeder Religion und sorgfältig durch alle Zeiten in einigen der Allgemeinheit unbekannten Heiligtümern bewahrt, von denen die indischen noch immer der Mittelpunkt sind.“ (Papus „Tarot der Zigeuner, S. 214)

 

Der Mitbegründer der modernen Theosophischen Bewegung und maßgebende theosophische Mentor in den Vereinigten Staaten von Amerika, William Quan Judge, definierte THEOSOPHIE in seinem ebenso klassischen, wie lehrreichen Werk, „Das Meer der Theosophie,“ seinerzeit wie folgt: „Theosophie ist jenes Meer des Wissens, welches sich von einem evolutionären Ufer beseelter Wesen, bis hinüber zum anderen, erstreckt; unergründlich in ihren Tiefen, gibt sie doch den erhabensten Gemütern völlige Entfaltungsmöglichkeit - und ist dennoch an ihren Ufern flach genug, den Verstand eines Kindes nicht zu überfordern!“

 

Die moderne theosophische Bewegung hat 3 Ziele, von welchen jedoch das 1. Ziel – die Anerkennung und Unterstützung der „Universalen Bruderschaft der Menschheit“ schon einen Großteil unserer philosophischen und praktischen Bestrebungen umfasst. 

 

Die 3 Ziele sind:

 

  1. Einen Kern universaler Bruderschaft der Menschheit zu bilden, ohne Unterschied der Rasse und Hautfarbe, von Geschlecht, Stand und Glauben.
  2. Das vergleichende Studium archaischer und anderer Schriften der Religionen der Welt und der Wissenschaften anzuregen. 
  3. Die verborgenen Mysterien der Natur unter jedem möglichen Aspekt zu erforschen und besonders die psychischen und spirituellen Kräfte, die im Menschen latent sind. 

 

Wir erkennen, dass Theosophie kein Sammelbecken für egoistische Bestrebungen sein soll. Dies gilt auch und insbesondere für „spirituellen Egoismus“. Das gegenseitige Verständnis der einzelnen Menschen und  Völker untereinander soll gestärkt werden. Die Toleranz gegenüber verschiedener Philosophien und Religionen soll geübt und praktiziert werden.

 

Darüber hinaus postuliert die theosophische Bewegung:

 

  1. ein allgegenwärtiges, ewiges, grenzenloses und unveränderliches Prinzip, von der theologischen Fakultät als persönlicher Gott dargestellt
  2. die Ewigkeit des Weltalls in periodischer Wiederkehr und
  1. die fundamentale Identität aller Seelen mit der universellen Oberseele als Aspekt der unbekannten Wurzel – diese universale Oberseele wird auch Alaya, die Weltseele, oder analog Anima Mundi genannt.

 

Diese 3. Proposition weist uns als Geschwister des gemeinsamen Heimatuniversums aus, von welchem wir als unselbstbewusste Gottesfunken hervorgingen und zu welchem wir als selbstbewusste Mitarbeiter oder auch Bauleute zurückkehren werden. 

 

Diese Rückkehr führt uns bereits auf den Weg zum transpersonalen Bewusstsein im Sinne von überpersönlichem Bewusstsein, denn die Silbe „trans“ bedeutet „jenseits“, „hinüber“ und damit nur, dass wir über unsere Persönlichkeit, den Schauspieler – wie er in der Antike unter dem Begriff „persona“ genannt wurde -  hinauswachsen müssen. (Skizze: 7 menschl. Prinzipien) 

 

Genau genommen muss die niedere Persönlichkeit abgestreift werden, da nur die unsterblichen Prinzipien in die Heimat zurückkehren können. 

 

Die Jakobsleiter, von der im Alten Testament die Rede ist, wartet darauf, dass wir sie erklimmen. Dazu brauchen wir einen starken Willen, ein tapferes Herz und vor allem klare Unterscheidungskraft.

 

Der große Dichter und Denker J.W. v. Goethe nimmt ebenfalls auf diese Tatsache  in seiner Dichtung „Eins und Alles“ Bezug:

 

„Weltseele, komm, uns zu durchdringen! Dann mit dem Weltgeist selbst zu ringen, wird unsrer Kräfte Hochberuf. Teilnehmend führen gute Geister, gelinde leitend, höchste Meister, zu dem, der alles schafft und schuf.“

 

Es gilt, ein neues Denken zu entwickeln. Das wird uns möglich, wenn wir auf die göttlichen Impulse, welche von unserem Höheren Selbst ausgehen, positiv reagieren. Sie wollen vom Denker aufgenommen und verstanden werden. Die angelernten, so bequemen Denkmuster müssen wir überwinden – und alle Ängste vor höheren Dimensionen. 

 

Denn der Schauspieler spielt immer wieder neue Rollen, während die einzigartige Individualität von Ewigkeit zu Ewigkeit im Sein ist. Die Skizze bezüglich der 7fältigen Konstitution des Menschen lässt erkennen, dass nur die oberen zweieinhalb Prinzipien unsterblich sind; nämlich

 

  • Atman, das höchstes Prinzip als Strahl aus der Universalseele – auch Alaya genannt – und im Christentum als „Vater im Himmel“ bezeichnet
  • Buddhi, das Christosprinzip in uns als höchste Unterscheidungskraft, durch welche die göttliche Ideation das menschliche Ego erreicht
  • Und das „höhere Manas“ als Sitz der menschlichen Intelligenz und der Möglichkeit des spirituellen Denkens, welches dem Denker über die Intuition zur Verfügung steht 

 

Über die Universal- oder Weltseele sagt die Stimme der Stille: „Es gibt viele Lehrer, aber der MEISTER ist einer, Alaya, die Weltseele. Lebe in diesem MEISTER, wie Seine Strahlen in dir … (denn) … Alles ist unbeständig im Menschen, ausgenommen die reine helle Wesenheit von Alaya“. (H.P.B.Stimme der Stille Fragment III Seite 72 und 83)  Sie ist die göttliche Essenz, die alles durchdringt, belebt und beseelt, vom kleinsten Atom der Materie bis zum Menschen und Gott. HPB Lexikon der Geheimlehren Seite 58 (teilweise)

 

Die unteren viereinhalb Prinzipien formieren sich ja bei jeder Inkarnation neu; aber leider identifizieren sich im Alltag die meisten von uns mit diesen niederen Prinzipien.

 

Der Weg zum transpersonalen Bewusstsein besteht aus theosophischer Sicht nun darin, Leben für Leben das Anhaften an diesen niederen Prinzipien zu überwinden und sich selbst , sprich das „Höhere Selbst“ immer mehr als den eigentlichen Denker wahrzunehmen. Somit können wir nach und nach erkennen, dass wir primär eine geistige Wesenheit sind, welche mit einem Leibe bekleidet ist. Als solche suchen wir unseren Weg zurück in die Heimat. 

 

Und im Gegensatz zur transpersonalen Psychotherapie, welche sich wie die humanistische Psychologie mit der Selbstverwirklichung der Persönlichkeit beschäftigt, versteht die theosophische Philosophie unter Transpersonalem Bewusstsein eher das Loslassen der eigenen Persönlichkeit und die Konzentration auf den höchsten Aspekt des Menschen, den unsterblichen Teil – auch die „Höhere Dreiheit“ genannt - nämlich Atman-Buddhi und höheres Manas.

 

Denn die Vereinigung mit dem höchsten Selbst in der kosmischen Hierarchie (Paramatman – identisch mit dem Brahman) ist unser aller Ziel. In ihm schwindet unsere Persönlichkeit dahin, nicht jedoch unsere Individualität.

 

Spirituelles Wachstum geht dabei Hand in Hand mit dem Wachstum der Seele. Denn das Leben ist selbst der große Lehrmeister, so dass die Lehren der alten Weisheit in der praktischen Anwendung uns Menschen zu immer neuen Einsichten führen.

 

Voraussetzung dafür ist, dass wir das Geschehene für unser Leben deuten können. Mangelnde Selbstkritik wirkt hier destruktiv. Wir müssen uns selbst immer wieder in Frage stellen können. 

 

Als Selbstgestalter unseres Schicksals stehen wir ständig in der Verantwortung im Hinblick auf unsere Schöpfung und deren Wirkung nach außen.

 

Eine ganz wesentliche Rolle spielt hierbei der innewohnende göttliche Funke oder auch der innere Gott oder das Christosprinzip (Buddhi) in uns, wie immer wir ihn bezeichnen wollen. Denn dieser göttliche Funke leitet und führt uns, sobald wir ihm dies gestatten. 

 

Er leuchtet hell, wenn wir zum spirituellen Leben erwachen. Ab diesem Zeitpunkt stellt sich der äußere Meister unverzüglich ein. Wir brauchen ihn deshalb nicht zu suchen. Er findet uns, und zwar absolut zuverlässig. Denn die Hierarchie des Mitleids braucht dringend Mitarbeiter. Wenn gesagt wird, der äußere Meister stellt sich unverzüglich ein, so bedeutet dies nicht, dass sich der Schüler darüber schon im klaren ist. Aber die Führung durch den Lehrer findet ab diesem Zeitpunkt statt.

 

So genannte außersinnliche Wahrnehmungen oder paranormale Fähigkeiten sind weder erwünscht noch die Regel. 

 

Sie entstehen meist aufgrund eines übersteigerten Ich-Bewusstseins, welches in Windeseile die Geheimnisse allen Seins erforschen möchte. Die Natur, von welcher der Mensch der wichtigste Teil ist, lässt aber Egoismus oder bloße Neugier nicht gelten. Immer wieder ist die Motivation der universelle Prüfstein. Die Natur arbeitet ja zuverlässig unter dem Gesetz des Ausgleichs!

 

„Sie ist der Ursache treu, aus der sie ihren Ursprung nimmt. Sie spricht immer vom Geist, deutet auf das Absolute hin, ist beständige Wirksamkeit. Sie ist ein großer Schatten, der immer auf die Sonne hinter uns hinweist.“ Deswegen müssen sich ungeduldige und übereifrige Mitmenschen in aller Regel dann tatsächlich von den Psychologen helfen lassen.

 

Die im 19. Jahrhundert überhand nehmende Konzentration auf den Spiritismus machte die Wiederbelebung der „Alten Weisheitslehre“ dringend erforderlich. Das Bewusstsein des Menschen sollte verstärkt wieder auf die Spiritualität gelenkt werden. 

 

Darüber hinaus gibt es unter uns Menschen allerdings noch die natürlich begabten Hellseher, welche diese Eigenschaft jedoch selten als Segen empfinden. Geschulte Seher dagegen können das Gesehene einordnen, da sie eine lange Reihe von Leben in disziplinierter Schulung verbracht haben

 

Vermutlich sind also lang andauernde Bestrebungen erforderlich, will man denn vom teilweise unbewussten Individuum zu einer selbstbewussten Individualität gelangen. An dieser Stelle wird schon klar, dass es wohl mit ein paar Meditationskursen nicht getan ist.

 

Theosophie bietet Hilfen an - allerdings langwierige – denn schnelle Sprünge sind ausgeschlossen!

 

Die praktische Umsetzung des 1. Zieles ist für uns alle zunächst Herausforderung genug; handelt es sich doch hierbei um die alltagstaugliche Übung, jedem Mitmenschen mit gleicher Sympathie und Hilfsbereitschaft zu begegnen. Die Parallele zur bedingungslosen Nächstenliebe im Christentum springt uns direkt ins Auge.

 

Ich darf Ihnen aber versichern, dass selbst sehr fortgeschrittene Wesen noch an dieser Aufgabe wachsen, da sie täglich neu diszipliniert an der Umsetzung dieses Zieles arbeiten, wie wir aus den Meisterbriefen wissen. (sie sind „… immer bestrebt, die Vorliebe für einzelne der Liebe zur ganzen Menschheit unterzuordnen!“)

 

Als Leitfaden zur Erlangung der nötigen Selbstkontrolle auf dem Weg zu einem überpersönlichen Bewusstsein und zur Entwicklung der Seele eignen sich natürlich die Paramitas, die 7 glorreichen Tugenden als Schlüssel zur Weisheit, welche „Der Stimme der Stille“ von Helena Petrowna Blavatsky entnommen sind.  

 

Diese Schlüssel sind:

Dana:            Liebe und Barmherzigkeit 

Sila:               Harmonie in Wort und Tat 

Kshanti:        Sanfte Geduld (die nichts erschüttern kann)

Viraga:          Gleichmut (in Freude und Leid)

Virya:             Furchtlose Energie 

Dhyana:        Meditation, spirituelle Kontemplation 

Prajna:           Wahres Wissen, Göttliche Intuition  

 

Und ähnlich wie beim 8fachen Pfad der buddhistischen Tradition findet man auch bei den Paramitas die Begriffe Meditation bzw. spirituelle Kontemplation oder Versenkung ziemlich am Ende der Aufstellung. Nicht umsonst! Bedeutet es doch, dass die zuvor genannten Tugenden ausreichend geübt und praktiziert werden müssen. Ansonsten kommen wir ja nicht sicher zum Ziel, zum Tor der Erkenntnis.

 

Diese Tugenden führen uns von kleinsten Anstrengungen der Selbstbeherrschung und Selbstkontrolle bis hin zu Schwindel erregenden Höhen des Bewusstseins. Dort sind wir dann ausgestattet mit einem furchtlosen Herzen und dem Schwerte der Unterscheidungskraft. Jedoch: Aller Anfang ist schwer; wir fangen alle klein an. 

 

Doch schauen wir uns diese 7 Tugenden und ihre Erfordernisse etwas genauer an:

 

1. Dana, der Schlüssel der Barmherzigkeit und der unsterblichen Liebe erfordert nicht nur materielle Wohltätigkeit, sondern auch zartes Mitleid, Sympathie, Brüderlichkeit und jene göttliche Liebe und jenes göttliche Erbarmen, das Erleuchtete veranlasst, sich selbst wie Buddha völlig in den Dienst für die Welt zu stellen, anstatt in die erhabene Glückseligkeit und den Frieden Nirvanas einzutreten.

 

Praktisch beginnt dieser Weg mit kleinen Hilfen und auch Sympathie für unsere schwächeren Schwestern und Brüder im Alltag. Nach und nach werden wir reif zum Verzicht zugunsten des Wohlergehens unserer Mitmenschen;  dieser Weg führt uns immer weiter zu einem altruistischem Handeln. Altruismus bedeutet, anderen Gutes zu tun ohne Rücksicht auf sich selbst.

 

Welche Motivation haben wir denn, so zu handeln? Vielleicht ist es doch die Einsicht, dass ein neues, weiter gefasstes und heilendes Bewusstsein für unsere Welt erst dann entstehen kann, wenn gegenseitige Hilfe eine Selbstverständlichkeit im Alltag geworden ist. 

 

Es ist ja eine Binsenweisheit, dass für alles im Leben ein Preis bezahlt werden muss. Der Weg des Sonderseins oder der Absonderung von der Einheit alles Seienden endet immer in einer Sackgasse. Und das rückwärts herausfahren ist bekanntlich nicht immer so einfach und kostet obendrein noch wertvolle Lebenszeit. 

 

Die gute Nachricht: Wir können dennoch so viele Umwege gehen wie wir wollen, denn wir bekommen immer neue Möglichkeiten zur Charakterschulung. Nichts und niemand geht verloren auf dem aufwärts führenden Pfad.  

 

Am Ende des Weges steht die völlige Selbstaufopferung. Das Christosprinzip in uns trägt den Sieg davon.

 

 

2. Sila ist der Schlüssel der Harmonie in Wort und Tat, der Schlüssel, der Ursache und Wirkung im Gleichgewicht hält und keinen weiteren Raum für karmisches Tun übrig lässt. Absichtsloses Tun ist hier gemeint. Ich tue etwas, weil ich in meinem innersten Wesen überzeugt bin, dass es wichtig und richtig ist, ohne Berechnung und ohne Hoffnung auf Lohn, in welcher Weise auch immer!

 

Einfachheit, Güte, Zurückhaltung, Selbsthingabe sind gefordert, bis sogar die Gegensätze von Gut und Böse verschwinden und es nur noch spontanes, harmonisches Verhalten gibt. Eine edle Tat, die ohne den Gedanken an Belohnung getan wurde, ist harmonisch und hilft deshalb, einen Menschen von den Banden des irdischen Karmans, des Gesetzes von Ursache und Wirkung zu befreien.

 

Halten wir also im Ernstfall auch die linke Wange hin? Legen wir doch nicht noch einen Holzscheit nach, um das karmische Feuer am Brennen zu halten. Ganz allgemein soll unser Tun und Lassen durch unser Gewissen gesteuert werden. So können wir sicher sein, dass wir dem Gesetz von Moral und Brüderlichkeit entsprechen. 

 

Der große Denker des Abendlandes, Immanuel Kant, spricht in diesem Zusammenhang von dem „Moralischen Gesetz in mir“. Im Volksmund heißt es einfach das Gewissen.

 

Aber nicht nur das Wort und die Tat haben Auswirkungen. Primär sind es ja unsere Gedanken – wirklich unsere Gedanken? – die dem Wort und der Tat vorausgehen. Vielleicht sind die Gedanken doch nicht so frei, wie es ein Volkslied behauptet!

 

Letztlich führt ja alle Evolution über das Menschenreich und wir lernen nicht zuletzt aus der Quantenphilosophie (Ulrich Warnke), dass Information (Geist - … „und der Geist Gottes schwebte auf dem Wasser“ – (Gen. 1, Vers 2)) und Energie über den Transformator des menschlichen Geistes die Wirklichkeit schafft!

 

In der theosophischen Nomenklatur heißt diese Transformation des Geistes in den Stoff Kryashakti – wörtlich: die Kraft des Handelns, bezogen auf die geheimnisvolle Gedankenkraft, die äußerlich wahrnehmbare Ergebnisse zustande bringt. 

 

 

3. Kshanti meint die „sanfte Geduld, die nichts erschüttern kann“. Es bedarf der Ausdauer und Geduld, der Nachsicht für andere bei gleichzeitiger Selbstkontrolle und der Vernichtung von Furcht und Zweifel.

 

Unzählige Bemühungen sind nötig, um den eigenen Charakter zu veredeln, die eigene Einsichtsfähigkeit zu stärken und so Schritt für Schritt den Pfad, der zur Glückseligkeit führt, zu finden.

 

„Wer mit dem Leben spielt, kommt nie zurecht.

Wer sich nicht selbst befiehlt, bleibt immer Knecht.!

 

Wenn es einen Königsweg zur vollkommenen Harmonie gibt, dann ist es wohl der Weg der unpersönlichen Dienstleistung. Viele Große der Menschheitsfamilie sind ihn schon gegangen und fordern uns zur Nachfolge auf. 

 

Aber erst wenn wir die Disziplin der Aufmerksamkeit und der unablässigen Gedankenkontrolle beherrschen, können wir – nach dem Vorbild unserer älteren Brüder – bewusste Mitarbeiter kosmischer Evolutionsperioden sein. 

 

Theosophie lehrt, dass der ganze Evolutionsprozess das Drama der Seele ist. Die ganze Natur existiert nur zum Sammeln seelischer Erfahrung.  Für den „gefallenen Engel“, der wir sind, gibt es keinen anderen Weg zurück in die Heimat, als hinter den Schleier der sichtbaren Natur zu blicken! 

 

Kein Mensch verschwindet in der Bedeutungslosigkeit. Jeder Einzelne wird für den evolutionären Prozess gebraucht. Nur der unverständige Mensch windet sich aus dieser Verantwortung. Er behindert damit vorüber gehend sein eigenes Wachstum.

 

Die Konzentration auf unsere geistige Wesenheit und seine Bestimmung bei gleichzeitiger Vernachlässigung unserer egoistischen Wünsche hilft uns, Ängste und Zweifel zu überwinden. Denn nur der Egoismus gebiert die Angst, welche uns Menschen bis zur Handlungsunfähigkeit straucheln lässt und für bestimmte Zeitgenossen erpressbar macht. 

 

 

4. Viraga bedeutet ohne Wunsch - Gleichmut in Freude und Leid, Zerstörung der Illusion; ausschließliche Wahrnehmung der Wahrheit wird angestrebt. Versuchungen und Täuschungen der Materie sind zu überwinden, die Wünsche der Sinne, der widerspenstige Geist, das unbeständige Herz muss mit den Erfordernissen der Wirklichkeit in Einklang gebracht werden. 

 

Bis wir still geworden sind in allen Prinzipien unseres Seins sind wir tatsächlich nur relativ frei. „Unwissenheit pocht auf Rechte. Weisheit setzt auf Pflichterfüllung“. (Rumi)

 

Maya oder Illusion ist ein Element, das in alle endlichen Dinge eintritt, denn alles, was existiert, hat nur eine relative, keine absolute Realität, da die Erscheinung, die das verborgene Ding an sich für irgend einen Beobachter annimmt, von dessen Erkenntniskraft abhängt.

 

Jeder Mensch muss deshalb, „bevor er zur Welt des Geistes erwacht und die von ihr auferlegten Verpflichtungen entgegennimmt, die Feinde Selbstsucht und Dummheit bekämpfen und die finstere Unwissenheit seines egozentrischen Ich überwinden. Der von der geistigen Natur ausgeschlossene Mensch muss ihr wieder zurück gewonnen werden“, so lesen wir Im Kommentar von Radha-Krishnan zur Bhagavad-Gita. 

 

Aber seien wir auf der Hut! Die Widersacher des Geistes sind emsig bestrebt, uns zum (Größen-)Wahn zu verführen; und es gelingt ihnen in dem Augenblick, in dem wir unseren Gehirnverstand von dem „geleiteten“ Herzenswunsch abtrennen, was bedeutet, dass wir das Naturgesetz der allumfassenden Liebe, welche das Bindemittel im Weltall ist, missachten. 

 

Lenken wir unsere Aufmerksamkeit auf den innewohnenden göttlichen Funken, können wir unser aufgeblähtes Ego getrost vernachlässigen. Denn wir erkennen die Einmaligkeit eines jeden Menschen, so, wie er gemeint ist im Sinne von Minne – von barmherziger Liebe, wie dieser Begriff ursprünglich gedeutet wurde!

 

 

5. Virya ist die „furchtlose Energie, die sich aus dem Sumpf irdischer Lügen ihren Weg erkämpft zur höchsten WAHRHEIT“. Selbstbeherrschung und Ausdauer zur Reinerhaltung von Herz und Gemüt sind erforderlich.

 

Eine wundervolle und unerschütterliche Anstrengung kostet es, sich selbst zu disziplinieren.  Jedes Versagen ist ein Gewinn, weil es unseren Erfahrungsschatz bereichert. Jeder neue Versuch bringt uns auf lange Sicht unserem Ziel näher.  Die Zwillingslehre von Karma und Wiedergeburt, die in der Urchristenheit noch gelehrt wurde, war schon immer ein fundamentaler Bestandteil der alten Weisheitslehre. Sie vermittelt uns die notwendige Gelassenheit. Wir können die Schule des Lebens nicht im Schnellzugtempo durchfahren. Problemkonstellationen lassen sich nicht einfach beiseite schieben. Sie suchen uns so lange heim, bis wir uns ihnen gestellt und sie gemeistert haben.

 

Dabei geht es nicht darum, wie viel wir ertragen müssen, sondern wie wir es tragen und was wir für das Wachstum der Seele daraus gewinnen. 

 

Große Eingeweihte und geistige Lehrer beantworten deshalb die Frage, wie man denn zum Tor der Einweihung gelangen könne mit dem ganz einfachen Hinweis:

 

Lebe dein Leben! - Tue Deine Pflicht!

 

„Eines jeden Menschen Lebenslage gibt ja auf die Fragen, die er stellt, die Antwort in Hieroglyphen. Er lebt diese Antwort, bevor er sie als Wahrheit erfasst“. Und genau auf diese Wahrheit bezieht sich ja „die Schule, des Lebens, die uns mit Strenge zu Menschen erzieht!“.

 

 

6. Dhyana bedeutet „Meditation, spirituelle Kontemplation“ – Herz und Gemüt in reinem Wissen eingebettet, frei von Anziehungskräften der niederen und trügerischen Welt.

 

Als Menschen, die sich ihrer selbst bewusst geworden sind, befinden wir uns auf dem Weg der Vervollkommnung vom menschlichen Sein zum göttlichen Sein. Die Aufforderung des Meisters Jesus „Folget mir nach“ ist durchaus als „kategorischer Imperativ“ zu verstehen. 

 

Unser Denken spielt hierbei eine große Rolle. Die geheimnisvolle Gedankenkraft bringt auch im Äußeren wahrnehmbare Ergebnisse zustande. Plutarch sagt: Eine Idee ist ein unkörperliches Wesen, welches an sich selbst kein Dasein hat, aber dem gestaltlosen Stoffe Figur und Form gibt und die Ursache der Offenbarung wird (GL  I, Seite 683).

 

Das gereifte Ego bedarf deshalb der Schulung im Hinblick auf die erforderliche Konzentration, Meditation und Versenkung. Der Lehrer stellt sich  unverzüglich ein, wenn das „Persönliche Ego“ gereift bzw. geschliffen ist oder auch tauglich gemacht wurde – in östlichen Traditionen spricht man z.B. vom „geschliffenen Juwel“. 

 

Darum werden Sie in den Theosophischen Lehren wenig Hinweise zur Meditationstechnik finden. Ab einem bestimmten Entwicklungszustand brauchen wir unbedingt einen Lehrer. Von ihm lernen wir, dass Meditation vor allem eine Frage der Lebenshaltung ist. 

 

Die Befreiung von der niederen und trügerischen Welt wird in der Lutherbibel mit dem Zitat ausgedrückt: „Das Himmelreich ist nur mit Gewalt zu erobern“. 

 

Gewalt meint hier natürlich die immer neue und intensive Anstrengung, die der Schüler unternimmt, um sich von der Macht der Illusion zu befreien. So kommt der Strebende Leben für Leben in treuer Pflichterfüllung der Wirklichkeit immer näher, bis sich seine Einsichten durch ständige Selbstkontrolle in wahres Wissen verwandelt haben. 

 

Dann hat er selbst sein Leben gemeistert und wird Licht für andere Suchende, denen er seinerseits wieder auf dem Pfad hilft. 

 

 

7. Prajna bedeutet „wahres Wissen, Weisheit, höchste Unterscheidungskraft, die das Ergebnis der Selbstdisziplin ist. Göttliche Intuition, jene Intelligenz und Unterscheidung, die klar das Höhere Selbst widerspiegelt. 

 

Hermes Trismegistos sagt: „Erkenntnis ist sehr verschieden von sinnlicher Wahrnehmung: denn die sinnliche Wahrnehmung bezieht sich auf Dinge, welche sie überragen, aber die Erkenntnis ist das Ende der sinnlichen Wahrnehmung“- d. h. der Täuschung unseres körperlichen Gehirnes und seines Intellekts; und er betont somit den Gegensatz zwischen der mühevoll erlangten Erkenntnis durch die Sinne und den Verstand (Manas), und der intuitiven Allwissenheit der geistigen göttlichen Seele (Buddhi).

 

Es wird hier Bezug genommen auf die von der menschlichen Intuition gesteuerte Intelligenz, welche das unmittelbare und ganzheitliche Erkennen oder Erfahren von realen Sachverhalten einleiten oder begleiten kann. 

 

Das Christosprinzip in uns ist die Fähigkeit des Erkennens, der Kanal, durch welchen die göttliche Erkenntnis das Ego erreicht, das Unterscheidungsvermögen von Gut und Böse, auch das „göttliche Bewusstsein“ und die „geistige Seele“ genannt. (GL I Einleitung S. 3) .. um diesen … Kanal zu öffnen, „brauchen wir allerdings das Herz eines Kindes vertrauensvoll, intuitiv und aufgeweckt. 

 

Dies also wäre der in Kürze geschilderte Pfad zum Tor der Erkenntnis aus theosophischer Sicht. Fragen Sie nun, warum Sie sich zu solchen Höhen aufschwingen sollen, antwortet die Theosophische Lehre: Als Kinder der Sonne und Nachfahren der Sterne sind Sie in die kosmische Evolution dieses Universum eingebunden. 

 

Alle Wesen dieser Evolutionsperiode wirken und gehören zusammen. Diejenigen, die aufgrund eigener Anstrengung der großen Masse vorauseilen können, haben nicht mehr und nicht weniger gewonnen als die Freude größerer Einsicht in alles Seiende und die sich daraus ergebende Pflicht, die anderen zu führen. Sie sind auch „die Wenigen“, denen Frau Blavatsky „Die Stimme der Stille“ gewidmet hat.

 

Ein Ausstieg aus der Evolution ist schlicht nicht möglich! Wie jeder Globus, jede Galaxie, jeder Kosmos ist der Mensch eine evolvierende Wesenheit. Die Reise geht also immer weiter in ansteigenden Oktaven.

 

Diese kosmische Evolution verpflichtet uns dazu, die Zyklen vollständig zu durchwandern. Das bedeutet nicht, dass unser Verhalten ganz und gar determiniert ist. Wir haben Entscheidungsmöglichkeiten, können Spielräume nutzen. Immer wieder stehen wir vor einer Wahl in Bezug auf unsere weitere Entwicklung.

 

Die Bibel sagt: „Seid vollkommen, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.“ (Matth. 5, 48) Damit hat sie das Ziel der menschlichen Entwicklung formuliert, das jeden Menschen über die „Schule des Lebens“ vom Individuum zur Individualität und darüber hinaus führt.

 

Wir befinden uns auf gutem Weg, wenn wir die Schule des Lebens mit Offenheit und Vertrauen durchlaufen, auch auf die Gefahr hin, verletzt zu werden. Der Schatz aller in uns gespeicherten Erfahrungen durch unzählige Inkarnationen hindurch hilft uns dabei. Er hat unsere Intelligenz geformt.

 

Somit sind wir unabhängig in unserem Denken. Überzeugungen so genannter Autoritäten sollten wir nicht ungeprüft annehmen. Die Folgen für uns könnten von leichten Irritationen bis zu wirklichen Katastrophen reichen. Jeder Mensch muss seinen eigenen Weg finden.  

 

Augustinus plädiert in seinen Confessiones für einen Glauben, der nach Einsicht sucht, persönlich angeeignet und intellektuell verantwortbar und bezeichnet dieses Vorgehen als einen Akt der Erkenntnis und des Willens. Er impliziert darüber hinaus ein „Inneres Wissen“ im Geschehen der Anrufung Gottes. Zitat: „Ich will Dich suchen Herr mit meinem Rufen, und ich will Dich rufen, indem ich an Dich glaube“ (Conf. 1,1,1).  

 

Es kann niemandem ein bestimmter Weg empfohlen werden, denn jedes Individuum hat seinen eigenen Weg, sein eigenes Karma, seine eigene Grundschwingung. Darum ist der von diesem Individuum intuitiv erfasste und erwählte Weg der einzig richtige. Hüten wir uns davor, anderen Menschen unsere Philosophie oder Religion überstülpen zu wollen. Wir können unsere Philosophie nur erläutern und anbieten; derjenige, bei dem sie auf fruchtbaren Boden fällt, wird von sich aus nachfragen.

 

Die anderen Mitglieder der großen Menschheitsfamilie setzen ihren Erkenntnisweg in anderen Traditionen, Philosophien und Religionen fort – und siehe da – in ferner Zukunft sehen wir uns alle wieder, ja: „…(wir) werden uns erkennen, gleich wie wir erkannt sind“ (1. Kor. 13) und schließen uns in die Arme oder in unser Herz – wie immer man das dann unter den veränderten Bewusstseinszuständen auszudrücken vermag.

 

Solange wir noch nicht sehr weise geworden sind, empfiehlt sich das Mitführen eines Kompasses. Dafür gibt es die Religionssysteme und Philosophien. Der individuelle Glaube entsteht dabei als natürlicher Bestandteil der persönlichen Biographie. Er ist ein Werk der Vorsehung oder des guten Gesetzes: KARMA!

 

Da wir sehr individuellen Entwicklungszyklen folgen, rät Gottfried von Purucker: „Glaube nichts, wovon dein Gewissen dir sagt, dass es falsch ist, - einerlei, woher es kommt. Und wenn die Gottheiten selbst zur Erde kämen und in Herrlichkeit auf den Bergeshöhen lehrten, glaube nichts von dem, was sie dir sagen, wenn deine eigene Geistseele dir sagt, dass es falsch ist."

 

Wenn Meister Jesus sagt: „Dein Glaube hat dir geholfen; gehe hin und sündige fortan nicht mehr“, so ist der erste Satz nicht ohne den zweiten zu verstehen. Nicht mehr zu sündigen, das bedeutet, aus innerer Einsicht zu handeln. Diese wird uns durch die „Stimme der Stille“, die wir in unserem Innern vernehmen können, zuteil. 

 

Sokrates bezeichnet sie als Daimonion. Er bekannte, dass das Daimonion ihm immer sagte, was er nicht tun sollte.

 

Der Glaube, der letztendlich Berge versetzen kann, entwickelt sich nach theosophischer Lehre aus einer unbegrenzten Reihe gelebter Leben, in welchen die Unterscheidungskraft trainiert und auch praktiziert wurde.

 

Dieser fortschreitende Entwicklungsprozess machte vor Damaskus aus einem Saulus einen Paulus. Der eingeborene Sohn, der innere Christos teilt sich hierbei unmittelbar dem persönlichen Ego mit. Diese Neugeburt ermöglicht die augenblickliche Umkehr unseres Lebensweges. Wir erkennen die Einheit alles Seienden und auch die Einheit unserer Individualität mit dem Göttlichen Sein!

 

Jeder einzelne von uns, der in irgendeiner Inkarnation vom heiligen Feuer der universalen Liebe erfasst wird, legt deshalb unter Ausschluss der Öffentlichkeit das Gelübde zum immerwährenden Dienst an der enterbten Menschheit ab. Die Abnahme geschieht durch das eigene „Höhere Selbst“, welches von Ewigkeit zu Ewigkeit im Sein (SAT) ist.

 

Dann „ist der Stein, den die Bauleute verworfen haben, zum Eckstein geworden“! (Matth.21, 42 und Markus 12.,10).

 

Abkürzungen: 

HWPh – Historisches Wörterbuch der Philosophie Schwabe-Verlag Schweiz

HPB – Helena Petrowna Blavatsky   -   GL – Geheimlehre 

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Unsere Abende finden jeden Mittwoch von 18:30 bis 20:00 Uhr in Linz statt.  Veranstaltungskalender

 

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TEL: +436507608655 (Karin Waltl)

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